Unser internationaler MINT-Austausch führte uns Ende Januar an die Fachoberschule Marie Curie in Meran. Vor Ort wurden wir allesamt gleichermaßen zu Lernenden.
Gemeinsam mit unseren Austauschpartner:innen erlebten wir eine vielfältige Mischung aus Crime Scene & forensischem Workshop, einem Einblick in die Arbeit der Berufsfeuerwehr, nachhaltigen Gedanken zur Bergwelt, Impressionen in unseren Gastfamilien, „live and let die“ in der Bronzezeit und dem Besuch des Maturaballs der letztjährigen Austauschschüler:innen.
Die Zeit verging wie im Flug und wir freuen uns riesig auf den Gegenbesuch Ende April.
Details
Bereits der erste Tag war voller Überraschungen. Gerade waren wir an der Schule in Meran zusammengekommen, da ertönten abrupt laute Schreie in der Nähe! Wir sprangen auf und rannten in die Bibliothek: Gurt Grauhaar stand fassungslos vor der Leiche seiner geliebten Gerline Meier. Damit kam unsere „Forensik-Einheit“ schneller zum Einsatz als erwartet. In Windeseile wurden Teams gebildet, um die Spuren zu sichern, auszuwerten und zu analysieren.
Team Spurensicherung und Verhör
Die Aufgabe unseres Teams bestand aus zwei Teilen, zum einen der Spurensicherung am Tatort, zum anderen das Verhör von Verdächtigen zur Lösung des Falles.
Bei der Spurensicherung war es wichtig steril zu arbeiten, also keine Fingerabdrücke oder Spuren im Generellen zu hinterlassen oder zu verwischen, und detailliert zu arbeiten, denn es durfte kein Beweisstück übersehen werden. Außerdem musste der Tatort fotografisch festgehalten werden, damit man jederzeit wieder einsehen konnte, wie der Tatort ursprünglich aussah.
Die Spuren wurden von uns gesichert, verpackt und an unsere Kollegen im Labor übergeben.
Der zweite Teil unserer Arbeit bestand darin Informationen über die Tatverdächtigen auszuwerten und diese anschließend zu verhören. Mithilfe der uns zur Verfügung gestellten Akten der Verdächtigen, konnten wir uns ein Bild über ihre Lebenssituation machen. Trotzdem gestalteten sich die Verhöre als schwierig, da die Verdächtigen in einer schlechten emotionalen Verfassung waren, aggressiv auf unsere Fragen reagierten oder uns die Aussage teils verwehrt haben.
Schlussendlich konnten wir den aber Mörder aufgrund der Beweise und eines fälschlich angegebenen Alibis überführen. Die Täterin war Frau Hülzer.
Team Gerichtsmedizin
Unsere Aufgabe war es, die Leiche zu obduzieren, um die Todesursache festzustellen. Zudem führten wir Blutanalysen von Verdächtigen und gefundenen Blutproben durch, um den Täter zu identifizieren.
An den Gegenständen am Tatort wurden Blutproben mit der Blutgruppe A+ gefunden. Daher konnten wir vier Verdächtige ausschließen, denn da das Opfer selbst keine offenen Wunden hatte, konnte es nur vom Täter stammen.
Beim Sezieren der Augen des Opfers konnten wir feststellen, dass es sich um einen Erstickungstod handelt, da Einblutungen (Petechien) am Augapfel zu erkennen waren.
Die Obduktion der Lunge bestätigte den Verdacht auf einen Erstickungstod, da auch hier Einblutungen an den Bronchien zu sehen waren. Zusätzlich sind uns eine Einblutung an der Luftröhre, sowie gebrochene Luftröhrenspangen aufgefallen, welche auf eine Erdrosselung mit Folge des Erstickungstodes hinweisen.
Team Instrumentalanalytik
Unsere Aufgabe war es, die Proben 6 und 7 zu untersuchen, die uns von der Spurensicherung übergeben worden waren. Dabei mussten wir herausfinden, welches Gas im Feuerzeug (Probe 6) enthalten war und den in der Flüssigkeit der Gläser (Probe 7) enthaltenen Stoff ermitteln.
Wir begannen damit, Vergleichsproben (Feuerzeuggas, Hexan, Zippo, Stadtgas) mit dem Gaschromatographen zu messen. Dadurch haben wir verschiedene Peaks herausbekommen, welche wir als Vergleich zur Probe 6 verwenden konnten. Durch die Gaschromatographie werden Stoffe getrennt und die jeweilige Intensität gemessen, die in einem Diagramm als Peaks angezeigt werden. Der Graph der Probe 6 ähnelt sehr dem Graph des Feuerzeuggases.
Probe 7: Als Vorbereitung des Analyseverfahren mit dem UV-VIS für die Probe 7 haben wir verschiedene Vergleichsproben (Curcumin, Fluorescein in verschiedenen Konzentrationen) gemessen. Beim UV-VIS wird die Probe mit einem Laser bestrahlt und die Absorption bei verschiedenen Wellenlängen im visuellen Bereich gemessen. Man erkennt die jeweiligen Stoffe, da sie bei unterschiedlichen Wellenlängen absorbieren. Durch die Messung der verschiedenen Konzentrationen von Fluorescein-Lösungen konnten wir eine Kalibrierungsgerade erstellen und die Geradengleichung aufstellen. Dadurch konnten wir die in Probe 7 enthaltene Konzentration an Fluorescein errechnen.
Probe 6: Das enthaltene Gas im Feuerzeug, das am Tatort gefunden wurde, ist Feuerzeuggas.
Probe 7: Die Flüssigkeit im Glas in Probe 7 enthielt eine Konzentration von 0.511 mM an Fluorescein.
Team Genetik (PCR/Gelelektrophorese)
Am Tatort wurden verschiedene Proben, wie zum Beispiel Haare und Blut gefunden, welche DNA enthalten. Nun war es unsere Aufgabe als Team für Genetik diese Proben zu analysieren und mit Speichelproben der Verdächtigen zu vergleichen, um den Täter zu überführen.
Im ersten Schritt mussten wir zunächst die DNA vervielfältigen, damit wir später gute und aussagekräftige Ergebnisse erzielen konnten. Für das Vervielfältigen der DNA wurde die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) angewendet.
Während im Thermocycler, im Rahmen der verschiedenen Zyklen, immer wieder Kopien der DNA produziert wurden, haben wir uns schon einmal an das Herstellen des Gels für die anschließende Gelelektrophorese gemacht.
Die vervielfältigten Proben wurden in die Taschen des Gels hinein pipettiert und Ladepuffer wurde über das Gel gegossen. Daraufhin wurde eine Spannung angelegt, wodurch sich die negativ geladenen DNA in Richtung des Pluspols bewegt hat. Im Zuge dessen haben sich allmählich verschiedene Banden gebildet, was an den verschiedenen Molekülgrößen liegt. Dank des in den Proben vorhandenen Farbstoffs und der Beleuchtung mit ultraviolettem Licht, konnten wir den Vorgang der Bandenbildung verfolgen.
Da die Banden der Täter-Probe mit einer der Proben einer verdächtigten Person übereinstimmten, hatten wir ein erstes Indiz für die mutmaßliche Täterin.
Die bereits vorhandenen Ergebnisse der DNA-Sequenzierung nach Sanger bestätigten unseren ersten Verdacht. Die Anzahl der Wiederholungen bestimmter Basensequenzen, genauso wie deren spezifischen Variationen, stimmten bei der Täter-Probe und der Probe der mutmaßlichen Täterin überein.
Somit konnten wir abschließend Frau Hülzer mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9% als Täterin entlarven.
Team Daktyloskopie
Als Daktyloskopen war es unser Ziel Fingerabdrücke, welche am Tatort gesichert worden sind, zu finden, zu sichern und zu identifizieren.
Um eine zuverlässige Sicherung der Fingerabdrücke zu garantieren, haben wir verschiedene Verfahren angewendet.
Iod Verfahren:
Für papierhaltige Oberflächen haben wir auf das Iod-Verfahren zurückgegriffen.
Mithilfe einer Herdplatte haben wir die Sublimation des Iods beschleunigt und dafür gesorgt, dass sich das Iod in den Lipiden des menschlichen Schweißes löst. Das Ganze funktioniert aufgrund der Unpolarität, sowie den guten Adhäsionskräften des Iods.
Wir konnten so eine bräunliche Färbung der Fingerabdrücke erreichen.
Um die Abdrücke langfristig zu sichern, haben wir anschließend das Tatortmaterial über eine kondensierende Lugolsche Lösung gehalten, um die instabile Bindung des Iods durch Stärke zu festigen
Polymerisation von Cyanacrylat:
Für Oberflächen aus Kunststoff, Glas und Metall haben wir die Polymerisation von Cyanacrylat angewendet. Durch das Erreichen des Siedepunkts von Cyanacrylsäureethylester, ist das flüssige Ester in dem Versuchsaufbau kondensiert. Bei Kontakt mit wässrigen Komponenten, welche unter anderem im Fingerabdruck enthalten sind, entsteht Cyanacrylsäureethylester-polymer. Dieses Polymer sorgt für einen weißgrauen Positivabdruck.
Um den Positivabdruck noch deutlicher sichtbar zu machen, haben wir UV-Rußpulver aufgetragen. Unter UV-Licht wurden die Minuten so deutlich erkennbarer.
Mithilfe der Verfahren konnten wir Frau Hülzer als Hauptverdächtige Identifizieren.
Team Mikroskopische Haaranalyse
Unser Team bestand aus Klara Kuhnen, Thomas Anton Plazotta und Prof. Thialer. Wir hatten den Auftrag die am Tatort gefundenen Haarproben zu analysieren.
Am Mikroskop konnten wir die Haarproben, die wir zuvor zu einem Präparat anfertigten, analysieren und mit dem dabei angeschlossenen Computer die Haarprobe auf ihre Merkmale und Eigenschaften (Größe, Struktur) zu untersuchen. Hierbei haben wir zwei Übereinstimmungen mit den gegebenen Haarproben entdeckt. Dabei konnten wir den Schluss fassen, dass Frau Hülzer schuldig war, nach der Absicherung mit den DNA- Analysen.
Fazit des ersten Workshops
Was bleibt? In der Abschlussbesprechung kam es nicht nur zur zweifelsfreien und immer wieder auch lustigen Überführung der Täterin. Wir erhielten auch vielfältige Einblicke in die Bereiche der Forensik, an denen alle gearbeitet hatten.
Insgesamt halten wir dies für einen besonders gelungenen Einstieg in unseren Austausch mit einem MINT-Workshop, in dem wir alles auch in der Praxis angeleitet erproben durften. Das Besondere war, dass die Methoden so oder so ähnlich in realen Forensik-Laboren eingesetzt werden.
Gregor von Borstel