Alexander-von-Humboldt-Gymnasium

der Stadt Bornheim 

Ein vorwurfsvoller Gesichtsausdruck: „Du hast nicht gelaufen.“ Sana korrigiert: „Du bist nicht gelaufen.“ Verben der Bewegung werden mit sein gebildet, das haben noch nicht alle aus der Klasse gelernt. Wir stehen im Wald in Bad Honnef, das nasse Laub auf dem Boden zu einem Kreis gerauft, darin fünf, sechs Schüler:innen, die nach den anderen, im Wald versteckten, Ausschau halten. Niwar klettert aus Dorus Schultern, um besser sehen zu können: „Leart, ich sehe dir!“ 

Spiele zu erklären braucht manchmal drei oder vier Anläufe, Zwischenübersetzungen und Nachkorrekturen, aber dann machen sie dafür umso mehr Spaß. Und auch wenn sich bei der zehnminütigen Wanderung in den Wald hinein alle beschwert haben und jede Bank als willkommene Sitzgelegenheit genutzt wurde, sprinten jetzt alle davon, während in der Mitte runtergezählt wird (oder hoch, je nachdem, wie gut das Spiel verstanden worden ist, ist aber eigentlich ja auch egal), schmeißen sich bäuchlings in den Matsch oder rutschen über das nasse Laub den Hang hinab in ihr Versteck. 

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen erzählen die Schüler:innen, wie sie geschlafen haben. „Frau Reintsma, ich nicht gut, weil Saif chh-pfff.“ „Schnarchen“ erklärt Herr von Borstel und im Chor wiederholen wir: schnarchen, ich schnarche, du schnarchst. Den Vormittag verbringen wir im Wald, spielen, rennen und bauen zwischen „Yalla“ und „Dawai.“

Mittags stecken Frau Reintsma, Anastasia und Denisa Kerzen auf einen Kuchen für Saif. Dann bringen sie den Kuchen raus, wir singen und Saif gestikuliert, dass er erst allen ein Stück Kuchen geben möchte, bevor er selbst isst. Zusammen krümeln wir den Boden des Gruppenraums voll. 

Am Nachmittag bekommen die Schüler:innen in Kleingruppen die Aufgabe, ein rohes Ei so zu verpacken, dass wir es aus dem zweiten Stock werfen können. Die Gruppen greifen zu Blättern, einer leeren Tüte, Stöcken, Kordel und allem, was man sonst noch findet. Dabei erörtern wir in einer Gruppe die Übersetzungen für Schnecke: ślimak, lumaca, улитка. Am Ende schafft es eine Gruppe, ihr Ei so gut einzupacken, dass es den Fall überlebt. 

Währen des Fußballturniers gegen die fünften Klassen geht die Sonne langsam unter und Kraniche ziehen über den dämmernden Himmel. Ihr Geschrei geht im Geschrei auf dem Fußballplatz unter.

Abends am Feuer ist es dafür umso ruhiger. Der Rauch vergeht und die Glut leuchtet im Kreis unserer Beine. Die Schüler:innen halten geduldig ihre Stockbrote hinein. Jads Stockbrot verbrennt außen. Sawen greift in die Taschen ihrer rosa Plüschjacke und holt eine Handvoll Ayçiçeği für Fatma und mich heraus, wir lassen die leeren Hülsen auf den Boden fallen. Oumaimas Stockbrot ist als erstes fertig, sie geht rum und gibt allen ein Stück. Später kommen die anderen Schüler:innen zu uns, alle teilen ihr Stockbrot, brechen uns ein Stück ab, Baisangur fragt schon gar nicht mehr, sondern steckt Leart und Hasan einfach ein Stück in den Mund: „Probier!“ Bershan sitzt im Schneidersitz vor dem Feuer und dreht besonnen sein Brot. Früher in Tschetschenien hätten sie das auch oft hinter dem Haus gemacht.

Luise Lamberty für die IK